Philipp Buhls glänzender erster Halbzeit folgt ein Abstieg
Ersehnte Verbesserungschancen zum Schluss noch verpasst
(Gesamtbericht, veröffentlicht am So., 27.08.2023.)
(Den Haag, Niederlande, 20./27.08.2023 -- Text: Friedl Buhl, Bilder ©: (siehe Bildangaben))
Die The-Hague-Regatta auf dem meeroffenen Nordsee-Revier vor Scheveningen / Den Haag war wieder einmal eine der besonderen Weltmeisterschaften: Eine „World Sailing Championship“. Nur im Vierjahresturnus gibt es das Segler-Großevent, jeweils im Vorfeld der olympischen Spiele. Es kämpfen nämlich - wie bei den Spielen auch - alle olympischen Klassen gleichzeitig um die Welt-Titel ihrer Disziplin.
Rational betrachtet unterscheiden sich die Herausforderungen für die Segler nicht von einer der jährlichen Weltmeisterschaften. Für die Klasse „ILCA 7“ (frühere Bezeichnung Laser Standard) beispielsweise und somit für Philipp hatte dieser achttägige Wettkampf dennoch etwas Besonderes an sich. Nämlich einerseits als persönlicher aktueller Leistungsgrad-Messer und nächstens eines der Qualifikation-Kriterien für die Olympischen Spiele 2024 in Paris.
Philipp belegte bei dieser WM unter den 138 Teilnehmern den 12. Platz, ...
... und verpasste auf dem letzten Kursabschnitt des letzten Fleet-Wettbewerbs auch noch knapp das Medalrace-Ticket. Letzteres war für den Oberallgäuer schon eine etwas bittere Pille. Der 12. Rang, na ja, entspricht zwar Philipps persönlichen Zielsetzungen nicht, ist aber an sich ein guter Platz. Eine Position, die es in der extrem leistungsdichten ILCA 7-Klasse erst zu erreichen gilt. Unter der ungewöhnlichen großen Anzahl an teilnehmenden Nationen mit ihren Top-Seglern landet man dort und auch viel weiter hinten schon bei nur wenigen und auch nur kleinen Unzulänglichkeiten und Fehlern ganz schnell. So gesehen darf dieses Endresultat für Philipp sehr wohl ein berechtigter und aussichtsreicher Trost für sein verfehltes Wunschergebnis sein.
Philipps glanzvolle Phase
Und dies vor allem auch unter Beachtung, wie hervorragend sein Renngeschehen während der ersten Halbzeit gelaufen sind: 3., 17., 6., 1. und 4. (letzteres im ersten Goldfleet-Race). Der Weltmeister von 2020 wurde den Anforderungen und Erwartungen bis dahin voll gerecht. Zwischenbilanz-Ergebnis: 3. Platz mit nur 4. Punkte Rückstand zum bis dahin führenden Engländer Beckett.
Doch dann vollzog sich eine deutliche Wende des Erfolgskurses. Sie war eklatant gegen Philipps persönliches Ziel gerichtet. Und natürlich sind folglich zu bestimmten Abläufen noch genaue Analysen angesagt.
Am Ende des fünften Tages bzw. nach dem achten Rennen rutschte Philipp aufgrund von drei für ihn enttäuschenden Platzierungen Wettfahrt für Wettfahrt nach hinten: aus dem Führungstrio, den Top Ten auf die 12. Position.
(keine WF am 2. Tag)
Nach dunklen Resultaten wieder ein Lichtblitz
Am letzten Fleetrace-Tag zeigte der Sonthofer in der vorletzten Wettfahrt, wo er platzierungsmäßig hingehört. Ein sehr guter 6. Rang brachte ihn in der vorläufigen Gesamtwertung auf die 7. Stelle. Das nachgeordnete Teilziel Top Ten schien fast wie gerettet. Die Zuversicht gegen einen enttäuschenden Abschluss stieg. Denn zum bevorstehenden Schluss im zehnten Fleetrace nochmals ein einstelliges Rennresultat - das erforderliche Aktionszeug ist ganz klar vorhanden und zigfach beweisen vorhanden - und eine souveräne Stellung in mitten der besten Zehn und damit auch die Chance einer weiteren Verbesserung im Finale wäre gesichert.
Kein positiver Ausklang, jedoch mit Lerneffekt
Doch leider zeigte sich der Lichtblitz in der neunten Wettfahrt doch nur als Halbtags-Phänomen. Ein weiteres Desaster-Ergebnis folgte. Und damit auch der Verlust der Finale-Teilnahme. Ja, es gab seitens Philipp eine Fehleinschätzung. Im Grunde nur eine, mehr nicht. Sie ergab sich aus einem wohl in Windesseile entschlossenen mutigen Verbesserungsversuch. Jedoch, es funktionierte nicht. Und mehr noch, es wirkte kontraproduktiv. Alles andere hat er bei dieser wohl schwierigsten Wettfahrt richtig gemacht. Es standen sich nämlich mächtige strategische Wirkmomente von Startlinienbevorzugung, starken differenten Meeresströmungen und (bezüglich Philipps Strategiepfad) ein in der denkbar ungünstigsten Phase der Starkreuz andauernder Winddreher gegeneinander. Niemand war nur annähern in der Lage, all die letztendlichen Auswirkungen sicher zu antizipieren. Dies belegt eindrucksvoll, dass in dieser Wettfahrt nicht die Besten dominierten, sondern Mittelfeld-Segler.
Nur 4 Punkte fehlten Philipp bis zum schlussendlich noch angepeilten 10. Platz. Als Segelstrecke ausgedrückt entsprach dies kaum 40 m, die er auf der letzten Downwind-Hälfte zwar nicht segeltechnisch verlor, aber aus dennoch opfern musste. Das ist so wenig wie letztlich deftig schmerzend.
Man neigt zu sagen: „So sollte es halt kommen.“ Und ja, vielleicht sollte man tatsächlich auch diesen Blickwinkel anlegen. Denn es wird sich im Gemüt des Weltklassesegler Philipp die Entschlossenheit und Motivation verstärkt erheben, um die wenigen aber dennoch für Erfolg oder eher Misserfolg ausschlaggebende Dinge zu beleuchten, schließlich zu ändern, zu verbessern usw.
Mangels Wind keine WF am 6. Tag.
Gewinner und weitere Plazierungen
Der WM-Titel ging an den Australier Matthew Wearn vor den beiden weiteren Medaillengewinnern Michael Beckett (2., England) und George Gautrey (3., Neuseeland.
Weiteren Platzierung: 4. Jean Baptiste Bernaz (Frankreich), 5. Lorenzo Brando Chiavarini (England). 6. Pavlos Kontides (Cypern), ... 12. Philipp Buhl (Deutschland) ... 16. Nik Aaron Willim (Deutschland), ... 69. Philip Walkenbach (Deutschland) ... . Die weiteren beiden Deutschen platzierten sich im ersten Viertel der Silberflotte (aus 68 Segler).
Kommentar
Ob Olympiasieger Wearn der verdiente neue Segel-Weltmeister ist? Dazu kann man unterschiedlicher Meinung sein! Beckett lag meist und auch noch vor dem zehnten und letzten Fleetrace mit stattlichen 20 Punkte in Führung vor Wearn. Sein Plan war darauf ausgerichtet, den Engländer mit ausgeklügelten Taktiken schädigend nach hinten zu fahren. Was ihm tatsächlich gelang. Zwar alles legal, aber i. Allg. nicht mit den eigentlichen Mitteln des Segelsports, den man sehen will. Wenn die eigentlich Guten folglich das Ziel unter den Letzten passieren. Wie absurd ist das? Und obendrein wie sportlich unfair? Beide landeten auf dem für sie völlig unwürdigen 65. und 66. Rang. Angreifer Wearn konnte es sich wegen seinen günstigeren Gegebenheiten bezüglich des Streichergebnisses leisten, für Beckett bedeutete der auf Schädigung ausgerichtete Taktikkampf den Führungs- und letztlich WM-Titel-Verlust.
Leider kommt so unwürdiges Segeln im Zuge von Gier nach besseren Resultaten immer wieder vor. Am Rande gesagt: Von Philipp könnte ich mir solches Handeln eigentlich nicht vorstellen. Vielleicht, um eine Führung letztlich abzusichern(?). Ja, evtl. okay. Aber doch nicht, um die klare Führung eines Sports-Kollegen mit fragwürdigen Mitteln zu torpedieren.
Ergebnisse ...
- (Am 2. Tag mangels Wind keine WF)
- (Am 6. Tag mangels Wind keine WF)
Links: