Philipp Buhl verfehlt im letzten Kampfakt den Titel

(Porto / Portugal, 20. / 25.05.2019 -- Text ©: Von Friedl Buhl, Bilder ©: (siehe Bildangaben))
Geschafft – in doppelter Hinsicht. Und doch nicht ganz, so könnte man es auch sehen. Schauen wir auf die Erfolgsseite. Denn sie überwiegt klar.
Philipp gewinnt bei der EM vor dem portugiesischen Porto die Bronze-Medaille. Der Titelgewinn war in Reichweite. Nach der 10. Wettfahrt bzw. am vorletzten Tag rückt Philipp mit dem tagesbesten Ergebnis (2. und 7. Platz) vom 3. Rang auf den 2. der Zwischenbilanz vor. Auf den bis dahin führenden Engländer Lorenzo Chiavarini fehlen dem Weltranglisten-Vierten nur mehr überschaubare und durchaus verkraftbare sieben Punkte. Aber im Schlussspurt, in der elften und zwölften Wettfahrt des Abschlusstages, hatte er das übergeordnete Wohlwollen und Glück nicht auf seiner Seite – Philipp: „Konnte es leider nicht reißen.“ Aber bitte! Es zählt doch nicht nur der Toperfolg allein.
Und sehr wichtig war auch der begleitende Erfolg: ein glänzendes Comeback. Dieses ist bei weiter gefasster Betrachtung ebenso wertvoll. Bekanntlich konnte der Sonthofer beim Sailing Worldcup in Miami (USA, im Januar) und Klassiker auf Mallorca (Spanien, im April) nicht an seine über die Jahre gewohnte Leistungsform anknüpfen. Der nun nachdenklich Gewordene entschied sich für einen Startverzicht beim Weltcup vor Genua (Italien, im April), um sich in Ruhe neu zu sortieren und in gründlicher Analyse mögliche Ursachen aufzudecken. Schließlich waren wir davon bald überzeugt, dass sich keine problematische Krise anbahnt und Philipp resümierte: „Ich glaube, dass ich das Segeln nicht verlernt habe.“

Philipp begann das Meisterschafts-Event beeindruckend. Er gewann gleich das erste Rennen und ließ gleich noch einen 4. Platz folgen. Das reichte ihm zur Führung nach dem
ersten Tag.
Auch die Ergebnisse des zweiten Tages (Plätze 4 und 9) waren in Ordnung und von zufriedenstellender Leistungskonstanz gekennzeichnet. Philipp rutsche gegenüber dem nun erstplatzierten Finnen Karle Tapper um drei Punkte auf die 4. Position ab.
Der folgende dritte Tag sollte mit einem Dämpfer aufwarten. Mit den Pätzen 15 und 16 war der Allgäuer alles andere als zufrieden. Damit beendete er die Qualifyingserie an 9. Position. In Führung lagen drei Engländer: Chiavarini, Eliot Hanson und Michael Beckett. Philipps Kaderkollege schaffte es mit Rang 36 klar ins Goldfleet.
Ab dem vierten Tag ging es im besten Drittel aller 162 Segler aus 55 Nationen und faktisch mit der dreifachen Leistungsdichte zur Sache. Philipp gelangen zwei sehr gute Wettfahrten (6. und 4.) und mithin das drittbeste Ergebnis des Tages. Er rückte damit wieder auf den 3. Podiumsrang.
Bis hierher herrschten großteils leichte bis mittlere Windstärken und nur sporadisch kräftiger Wind. So sollte es an der allgemein windreichen portugiesischen Atlantikküste nicht bleiben. Starker Wind um 4 bis 6 Beaufort mit über 2 m hohen Wellen auf den Kursen im offenen Meer stellten am fünften Wettkampftag sehr hohe athletische und segeltechnische Anforderungen. Und wie an jedem anderen Tag gestalteten die sehr wechselhaften starken Gezeitenströmungen das strategische Vordenken und schlussendliche Umsetzen auf dem Wasser komplex und schwierig.
Philipp kam mit diesen Bedingungen einwandfrei zurecht und verbuchte als Tagesbester einen 2. und 7. Platz. In der Zwischenbilanz lag er nun hinter Chiavarini an zweiter Stelle. Und dies mit dem sehr bescheidenen Rückstand von sieben Punkten. Rechnerisch war nun für den letzten Tag alles möglich: Titelgewinn, Medaillenrang oder auch weg vom Podest.
Für Philipp -hatte natürlich die abschließende Führung im Visier - sollte der Regattaabschluss zwar nicht zu einem schwarzen Tag ausarten. Mit einem guten und / oder glücklichen Verlauf war er aber auch nicht gesegnet.
In der ersten (bzw. 11.) Wettfahrt reichte es ihm nur zur 15. Position. Sein Hauptgegner auf den Gesamtsieg, Chiavarini, wurde 4. Danach, in letzten Race, erwischte es ihn mit einem Patzer (24.), den er allerdings ziemlich schadlos streichen konnte. Doch Philipp erfuhr nach dem Zieldurchgang von seiner Frühstart-Disqualifikation. „Es muss wohl ganz knapp über der Linie gewesen sein.“, kommentierte Philipp sein Missgeschick. Gegen den neuen und erstmaligen Europameister Chiavarini hätte es trotzdem nicht gereicht, denn Philipp hätte einen 2. Platz liefern müssen.

So mischte sich bei Philipp die Enttäuschung über einen greifbar nahen und doch verpassten EM-Titel mit stolzer Freude über die Bronzemedaille und gleichzeitig das eindrucksvolle Wieder-Mitmischen in der Weltspitze.
Den Vize-Europameister sicherte sich der ehemalige Doppelweltmeister Nick Thompson (England). Die Plätze 4 und 5 belegten Pavlos Kontides (Cypern, amtierender und früherer Weltmeister) bzw. Michael Beckett (England).
Philipps Trainingspartner, Nick Willim, erzielte mit seinem 25. Rang einen soliden wie beachtlichen Erfolg.
Zählt man die rund 50 teilgenommenen außereuropäischen Segler zur EM mit hinzu, ergibt sich faktisch eine Weltmeisterschaft. Denn von den Topseglern außerhalb Europas fehlte keiner. Für diesen Fall, sogenannte Trophy-Wertung, wäre der Sieg mit Matthew Wearn nach Australien gegangen.
Weitere Links: