World Sailing-WM Aarhus, Dänemark / Kattegat
Buhls unnachgiebiger harter Kampf führt hochverdient auf’s Podium
(Vorspann- und Tagesberichte: Aktualisiert am So., 12.08.2018)

(Aarhus, Dänemark, 03./12.08.2018 -- Text ©: Von Friedl Buhl, Bilder ©: (siehe Bildangaben))
The „Hempel Sailing World Championships“ stellt schon ein besonderes WM-Event dar. Denn die Segler aller zehn olympischen Segelklassen kämpfen im gleichen Zeitraum um ihre Wunschplatzierungen und Medaillen. Eine seglerische Veranstaltung dieses immensen Kalibers gibt es nur im Vierjahres-Turnus. Veranstalter ist der Weltsegler-Verband ISAF (International Sailing Federation) mit aktueller Bezeichnung „World Sailing“. Die Durchführung dieser Großveranstaltung – und das verdient hohe Achtung – schultert wesentlich die dänische Stadt Aarhus. Sie ist zwar zweitgrößte Landesstadt, aber mit Blick auf die Einwohnerzahl um einiges kleiner als beispielsweise Augsburg. Vor der Hafenanlage von Aarhus, der Seglerstadt im Ausnahmezustand, sind auf ca. 100 km² neun Regatta-Areale auf der gleichnamigen Bucht des Kattegat für die etwa 130 geplanten Segelwettkämpfe ausgewiesen.
Unter den zehn Olympiaklassen ist es wieder einmal und wie längst schon gewohnt die Klasse der Laser Männer (Laser Standard), welche das mächtigste und gleichermaßen beeindruckende Athleten-Aufgebot zu verzeichnen hat. Mit beachtlichen 165 Booten aus 66 Nationen ist die One Design Class mit Blick auf die Teilnehmer- und Nationenzahl durchschnittlich mehr als doppelt so stark belegt als die anderen Klassen. Dies ist auch ein klarer Ausdruck, wie hart es in der Laser-Klasse mit dem Erkämpfen von Topplatzierungen hergeht.
Was der deutsche Weltklassesegler nun anstrebt, muss sicherlich nicht mehr expressis verbis kommuniziert werden. Es möge das unabdingbare Quäntchen Glück zu allem mehrfach bewiesenen nötigen Können bei ihm in den entscheidenden Phasen einkehren.
Mit von der deutschen Laser-Partie sind Philipps Trainingspartner Theodor Bauer und Nik Aaron Willim sowie ein Neuling auf der höheren Ebene namens Eric Malach.
Tagesberichte / Zwischeninfos zur WM 2018
Das Event beginnt (mit den Races) am Freitag, 03.08.2018, 12:00 Uhr und endet am 10.08. mit dem Medalrace.
Vortag (Do., 02.08.18), Eröffnungsfeier
Tausende von Besuchern erfreuten sich am Abend im Hafenzentrum von Aarhus an einer großartigen Eröffnungszeremonie der „Hempel Sailing World Championships 2018“. Neben Reden des Bürgermeisters und dänischen Präsidenten von World Sailing bot die Show u. a. Musikeinlagen einer Liveband sowie eine Akrobatik- und Ballettvorführung auf einem an der Hafenmauer angelegten Schiff.
Das zentrale Moment der Veranstaltung boten die Atleten bzw. aus ihren Gruppen die jeweils auserkorenen Landesflaggen-Träger der annähern 100 vertretenen Wettkampf-Nationen. In vier Gruppen aufgeteilt präsentierten sie sich einzeln auf einem Laufsteg unter anhaltendem Beifall dem Publikum.
Als Träger der deutschen Flagge wählte die Segelnationalmannschaft Philipp Buhl. Der Athletensprecher der Nationalkader räumte ein: „Es ehrt mich sehr, hier auch mein Land offen präsentieren zu dürfen. Im Leistungssport geht es nicht nur um einen selbst. Man arbeitet und kämpft auch für die eigene Nation und selbstverständlich ebenso für seine Unterstützer, Förderer und Sponsoren.“
1. Tag (Fr., 03.08.18), Opening Races 1 und 2
Sehr zufriedenstellender Beginn
Sein Start in die WM-Qualifying-Serie lässt keine Wünsche offen. Mit den sehr guten Plätzen vier und drei gelang Philipp Buhl bei zunächst leichtem und später mittelmäßiger Meerwind ein solider und von einwandfreier Leistungskonstanz gekennzeichneter Einstieg. Ziemlich schwierig sei das Beherrschen der unregelmäßig Windschwanker gewesen. Für eine Seabreeze ist dies im Allgemeinen eher untypisch, nicht aber für die Bucht von Aarhus aufgrund verschiedener ungünstiger Gegebenheiten. Unkalkulierbare Dreher zwingen schließlich zu einem gekonnten und gegenüber dem Wind sehr einfühlsamen Mix aus Taktik und Strategie.
Philipp beschert seine seglerische Leistung Platz fünf im Zwischenklassement. Auch seine Kaderkollegen, Nik Aaron Willim und Theodor Bauer können mit ihren erzielten Gesamtplazierungen 29 (16. und 8. Platz) bzw. 48 (21. und 30.) durchaus zufrieden sein. Sie liegen damit in dem mächtigen und bis zum absoluten Anschlag großen Teilnehmerfeld im besten Drittel, was für die spätere Qualifizierung ins Goldfleet bedeutsam ist.
2. Tag (Sa., 04.08.18), Opening Races 3 und 4
Top-Resultat folgt auf Stolperer
Heute ging es in der Aarhus-Bucht mit nordwestlich einströmender frischer Nordseeluft zur Sache. Sie kühlte das unter unter dem andauernden Hochdruckeinfluss leidende trockene Dänemark um einige angenehme Temperaturgrade ab und ließ einer thermischen Seewind-Entwicklung keine Chance. Der mittelstarke böige Wind war durchaus okay, wenngleich sich mancher Segler die für den Abend erwartete Auffrischung wohl früher gewünscht hätte.
Auf der Startkreuz der ersten Wettfahrt haben die Segler auf der rechten Seite Kursseite - und Philipp zählt mit dazu - mit einer Windkapriole zu kämpfen. Wie vom Schicksaal auf Minuten genau abgewartet, setzt in der ungünstigsten Phase der mit Abstand stärkste Winddreher (über 30°) des Tages ein und gibt bis zur Bojenrundung im Luv partout nicht nach. Damit waren die davon negativ Betroffenen mehr oder weniger hoffnungslos vom Windeinfluss geschlagen. Philipp quert das Ziel schließlich erst an 19. Position – ein Fall für das ab drei Wettfahrten wirksame Streichergebnis.
Doch im Folgerennen findet der Allgäuer wieder zurück in die Erfolgsspur. Um die Positionen fünf bis sechs segelt er bis zur zweiten Rundung der Luv-Boje. Auf dem letzten Vorwindkurs gelingt ihm noch eine Verbesserung um drei Positionen und er erzielt schließlich den dritten Platz.
Die Zwischenergebnisliste über alle vier Qualifying-Wettfahrten weist Philipp nun auf Rang sieben aus. Unangefochten führt der Neuseeländer Sam Meech das 165 Männer starke Teilnehmerfeld an. Es folgen Kaarle Tapper (+ 2 P. netto, Finnland), Tom Burton (+ 4 P., Australien), Matthew Wearn (+ 6 P., Australien) und punktgleich Nick Thompson (England), Luke Elliott (+ 7, Australien) und punktgleich Philipp Buhl (Deutschland). Der Titelverteidiger aus Zypern, Pavlos Kontides, belegt momentan den 9. Platz (+9 P.).
Philipps Trainingspartner, Theodor Bauer (45.) und Nik Aaron Willim (51.), konnten sich noch auf dem Goldfleet-Qualifyingkurs festkrallen. Nun bleibt zu hoffen, dass sie diesen auch morgen bei den letzten beiden Ausscheidungsrennen erfolgreich verteidigen können. Der vierte Deutsche, Eric Malach erkämpfte sich in der heutigen ersten Wettfahrt den sehr beachtlichen 15. Platz. Insgesamt kursiert er auf Bronzefleet-Kurs. Vielleicht gelingt ihm morgen noch der Sprung ins Silberfleet.
3. Tag (So., 05.08.18), Opening Races 5 und 6
Stabilisierung - zum Glück keine Blessuren
Frischer kräftiger Nordwestwind mit teils starken Böen verlangte heute den Seglern viel ab. Und sehr schwierig war trotz freier Umgebung die starke und nur ansatzweise kalkulierbare Drehigkeit aufgrund der tiefen unregelmäßigen dicken Wolkendecke.
Philipp Buhl stabilisiert seine Top Ten-Position mit zwei soliden sechsten Plätzen. Auch wenn er sich mehr erhofft hatte, konnte er bei den problematischen Bedingungen dennoch recht zufrieden sein. Mit den erzielten Resultaten ließ er zwar nichts anbrennen, konnte aber seinen überschaubaren und noch voll im grünen Bereich liegenden Rückstand ( 13 P. zum Führenden, des weiteren 9 P., 9 P., 7.P, 7 P. und 1 P. zum Sechstplatzierten) noch nicht mindern.

Erfreulicherweise haben Philipps Kaderkameraden, Theodor Bauer (50.) und Nik Aaron Willim (53.) gerade noch das Tor ins Goldfleet passieren können. Das Limit dürfte mit 55 festgelegt werden. Willim schaffte dies nur aufgrund eines beachtlich guten neunten Ranges in der letzten Wettfahrt - seine absolut letzte Chance. Nur wenige Positionen schlechter hätte für ihn das Nachsehen bedeutet - :-) .
Am morgigen Montag gibt es für die Laser-Segler erstmals einen Ruhetag. Am Dienstag segelt dann nur das Golfleet auf dem Stadion-Areal. Diese Bahn hat zwei Gesichter. Das schöne: Die Wettfahrten werden getrackt und verfilmt. Das negative: Westliche Winde sind wegen hindernisreicher Landnähe mitunter extrem unregelmäßig und damit evtl. leider auch teils unreell.
4. Tag (Di., 07.08.18), Finale Races 1 und 2 (gesamt 8)
Vormarsch „nur“ gut gelungen
Er muss jetzt möglichst ein sehr gutes Tagesergebnis realisieren. Das bedeutet für den Allgäuer mit der klaren Endziel-Vorstellung, in beiden Wettfahrten des Tages zwei gute bis sehr gute Wettfahrtergebnisse zu ersegeln.
Bei der ersten Wettfahrt gelingt ihm dies excellent. Bei fast schon grenzwertig schwachem Wind (ca. 5 Kn oder 1-2 Bft) startet der Wettfahrtleiter das erste Goldfleet-Rennen. Doch nach einer Stunde Konzentrations-raubendem und mürbendem Segeln in der prallen Sonne bricht der Wettfahrtleiter auf dem bereits begonnenem letzten von vier Kursabschnitten das Rennen wegen zunehmend schwächelndem Wind ab. Philipp liegt zu diesem Zeitpunkt an der sehr guten fünften Position. Die ersten Gedanken: Schade!
Doch für den Weltranglisten-Zweiten erwies sich dies weder als Problem noch Verlust. Der zweite Wettfahrtanlauf geht bei unwesentlich mehr Wind über die volle Distanz in die Wertung. Philipp, eigentlich ein Muskelpaket mit besten Eigenschaften insbesondere auch für kräftigen bis starken Wind, erweist sich wieder einmal ebenso als erstaunlicher wie kaum für möglich gehaltener gefühlvoller Leichtwindspezialist. Er quert die Ziellinie als Zweiter. Damit stößt er in der Zwischenwertung um drei Positionen auf den vierten Platz vor. Die nächsten naheliegenden Gedanken: So sollte / müsste es heute weitergehen.
Doch es sollte so leider nicht kommen. Nach zunächst erneut langem Windabwarten auf dem Wasser in der Nachmittagshitze verlässt das Race Commitee entschlossen das vorgesehene Kursareal und sucht mehrere Kilometer Richtung Meer einen freien Notplatz mit mehr Wind. Den gab es mit immerhin ca. 2 – 3 Bft (leichter bis mittlerer Windstärke).
Beim zweiten Startversuch zur zweiten Wettfahrt erleidet Philipp eine fremdverschuldete schwere Behinderung unmittelbar nach dem Startsignal. Nur mühsam und halbwegs kann er den Rückstand und damit verbundenen nachhaltigen Speedverlust ausgleichen. Vor allem die Eingrenzung der taktischen Optionen pfropfen ihm gewaltige Nachteile auf. Philipp rundet schließlich als über 30. Die Luvmarke. Jetzt hatte er den Beleg: Gute Plazierung – Adieu.
Doch Philipps unbeirrter Kampfgeist bis zur letzten Sekunde ist bekannt. Auf dem folgenden Vorwind segelt er nicht weniger als 15 Boote hinter sich. Und das in einem Goldfleet. Über den zweiten Vorwindkurs kann er nochmals mehrere Boote auf die Plätze verweisen und belegt am Ende noch den beachtlichen 16. Rang. Diese Wettfahrt war von sehr guter seglerischer Leistung gekennzeichnet und brachte leider doch nur ein für seinen Bedarf bescheidenes Ergebnis ein.
Philipp konnte sich in der Zwischenbilanz somit um „nur“ eine Position auf den sechsten Platz verbessern. In der Führungsgruppe hat sich einiges verändert: 1. Matthew Wearn (3. und 9., Australien), 2. Pavlos Kontides (12. und 4., Zypern), 3. Sam Meech (34. und 7. er verliert die Führung, Neuseeland), 4. Tom Burton (11. und 5., Australien), 5. Elliot Hanson (6. und 13., England) und Philipp Buhl (2. und 16., Deutschland). Philipp hat in der Top Ten-Gruppe trotz seines Handicaps das drittbeste Tages-Gesamtergebnis erzielen können.
5. Tag (Mi., 08.08.18), Finale Race 3 (gesamt 9)
Muss das denn sein !? ...
… wird sich Philipp in mehrfacher Hinsicht fragen. Mehr Pech zu einer und der einzigen Tageswettfahrt geht kaum. Der angesagte mittelmäßige Wind ab Mittag war weit und breit nicht zu sehen. Die Prognosen waren schlicht unzutreffend, was jeder selbst sehen konnte - ☹. Erst gegen mitte Nachmittag kam eine leichte Brise auf. Schleunigst eilten dann alle Klassen auf ihre Plätze. Die Laser auf die zum Hafen weit entfernte Bahn DELTA.
Beim ersten abgebrochenen Rennen lag Philipp sehr gut im Kurs. Aber Abbruch: Schade! Es stellte sich durchaus die Frage, warum dieses Rennen denn abgebrochen wurde. Schießlich waren durchaus noch 4 Kn Wind gegeben.
Die nächste gestartete Wettfahrt ging durch und in die Wertung. Nur für Philipp erwies sie sich als mittelmäßiges Desaster. Denn in der Pulkansammlung der rechts (zu) stark bevorzugten Startlinie lauern bezüglich eines gelingenden Starts stets enorme Gefahren. In sochen Situationen hat der Segler nie alle Hebel im eigenen Griff. Es können sich schnell problematische und behinderliche Zwangssituationen ergeben. Philipp hatte das Pech. Team- und Kaderkollege Theodor Bauer gelang kurz vor dem Start den vorderen Startplatz unmittelbar vor Pillipp einzunehmen, der für ihn der Startsegen gewesen wäre. Bauer kam perfekt weg. Philipp erst schließlich mit Verzögerung in der zweiten Bootsreihe, und es hatte ihm nächstens auch keine helfende Lücke nach vorne zur Frontline geöffnet. Der Kampf gegen geschädigten Wind und den drückenden Verlust taktischer Optionen war damit entfacht und überwog fortan den eigentlichen Wettkampf gegen die Hauptkonkurenz.
Es stellt sich bezüglich der Wettfahrtleitung auch die Frage, warum die Linie nicht korrekter ausgelegt wurde. Sie lag rechts um ca. 10° im Luv und war damit so stark bevorzugt, dass die linke Linienhälfte von den Seglern prompt völlig unbenutzt blieb. Das ist ganz klar nicht gut und nicht richtig. Denn es gibt einfach zu viele Startopfer. Als wäre der Start auch unter korrekten Startbedingungen nicht ohnehin schon ein sehr ausschlaggebendes Kriterium. Diese Art der Startorganisation ist für eine lokale Regatta noch okay oder relativ egal, aber nicht auf dieser höchsten Ebene. Und dies noch kurz vor dem Ende der Serie.
Philipp wird jetzt alle mentale und physische Kraft usw. sicherlich möglichst unbeirrt einbringen. Die Aussichten sind schmerzlich geschwunden. Doch das Spiel ist noch nicht ganz zu Ende und noch nicht wirklich verloren.
6. Tag (Do., 09.08.18), Finale Race 4 (gesamt 10)
Exzellente Leistung! Medaille wieder in Reichweite

Mit diesem für ihn sehr wichtigen Ergebnis rückt der Niemals-Aufgeber tatsächlich noch am vorletzten Tag um zwei Plätze nach vorne auf Rang vier. Der Allgäuer mischt nun im morgigen finalen Kampf um Edelmetall mit. Seine Wunschzielsetzung, der Titelgewinn, ist rein rechnerisch nicht mehr möglich. Den werden der Titelverteidiger aus Zypern, Pavlos Kontides (heute 14., gesamt 1., 41 Pkte.) und Matthew Wearn aus Australien (heute 13., gesamt 2., + 4 Pkte.) unter sich ausmachen.
Für Philipp in der Jägerposition – wie er es durchaus nicht ungern mag – ist sicherlich entscheidend, was er sich vorgenommen hat: „Ich werde bis zum Anschlag kämpfen und alles geben.“ Und kämpfen dürfte für morgen auch im physikalischen Sinne aufzufassen sein. Denn an Wind soll es nicht mangeln. Hoffentlich!
7. Tag (Fr., 10.08.18), Medalrace (gesamt 11 Races)
Eiserner Wille mit WM-Bronze belohnt
Herzliche Gratulation, Philipp!
Philipp Buhl hat es geschafft. Aber in seiner zusehends wackeligen Situation nur mit den einzig noch rettenden Gegebenheiten, die ein Leistungssport-Athlet zu all seinem fachlichen Können unbedingt auch braucht: Inbeirrbarer Glauben (aktuell an doch noch guten Ausgang), unbändiger Wille und äußerste Kampfbereitschaft und das nie zu vergessende Quäntchen Glück bzw. wenigstens nicht auflauerndes Pech. Bereits allerspätestens zur letzten Fleetrace-Wettfahrt musste der Weltranglistenzweite einen Topplatz erzielen. Und dann im Finale noch einmal top erfolgreich, sollte es noch für das maximal mögliche drittwertige Edelmetall reichen.
Es reichte! Beide Tage liefen eigentlich perfekt und gemäß Wunsch, Wollen und auch Plan.“ Nach dem sehr gut gesegelten letzten Fleet-Rennen (5., siehe Bericht zum 6. Tag). funkte Philipp zu seinen größten Fans, seinen Eltern: „Der Tag war doch gut, oder!“ Ein erster Stein fiel ihm sichtlich vom Herzen. Aber ein zweiter blieb ihm noch: das Medalrace.
Und da ging es wirklich voll zur Sache. Bei enorm böigem und starkem Westwind aus einer bereits nächtlich gewachsenen Kaltfront musste oder durfte die elitäre Laser-Gruppe als erste – fast so wie Versuchskaninchen – raus auf die mit schäumenden Wellenkronen gezierte aber ungemütlich anmutende STADION-Segelarea vor dem Nordhafen von Aarhus. Prompt zum Start des letzten WM-Fights legte das Powerwetter nochmals mit einer kräftigen Regenschauer und bis über 30 Kn (7 Bft) Sturmstärke zu. Nach gelungenem Start wendet Philipp sofort von seinen wichtigsten Gegnern, Hauptkonkurrenten Elliot Hanson aus England (-4 P. gegen Philipp) und bedingt Sam Meech (+ 11 P.; Neuseeland), weg. Und der Deutsche krallt sich auch gleich in der Führungsriege fest und führt das Feld nach dem ersten Kreuzdrittel knapp an. Gegen Hafen-und Ufernähe wird der Wind zunehmend böiger und drehender. Entsprechend wechseln die Positionen der Kämpfer an der Frontline: Nick Thompson (England), Hermann Tomasgaard (Norwegen), Philipp und Meech. Philipps Nr. 1-Gegner Hanson ist noch ernst zu nehmend im Spiel. Sein Rückstand zu Philipp nur etwa 10 m ca. 2 Positionen. Die bereits sicheren Silber- und Gold-Kandidaten, Matthew Wearn (Australien) und Pavlos Kontides, bekämpfen sich unter sich und segeln hinterher. Alles spielt sich ziemlich geballt auf der offensichtlich strategisch mehrversprechenden linken Kursseite ab. Die Spannung bleibt. Ja, sie wächst bezüglich der endgültigen Medaillenverteilung.
Dann katapultiert ein toller und lokal sehr begrenzter Windböen-Rechtsdreher Thompson und Tomasgaard in die Führung. Philipp, unweit daneben spürt von diesem Vorteil nichts und fällt postwendend auf Mittelposition zurück. Doch wahrscheinlicher sind theoretisch eher die Linksdreher und zudem der Ausgleich in der lebhaften Windoszillation . Und der Allgäuer handelt danach. Risiko! Das es cool anzunehmen gilt. Nun ganz links im Feld hilft ihm vor der Luvboje tatsächlich ein kurzer aber gediegener Gegendreher wieder ein Sprünglein nach vorne. Nach der Startkreuz runden unweit hintereinander Tomasgaard, Meech, Burton und Philipp. Hanson (nun 10.) scheint für Philipp um den halbwegs beruhigenden Rückstand von 10 m zumindest temporär geschlagen zu sein. Philipp segelt aktuell auf Bronze- und Kontides nicht mehr auf Gold-Kurs.
Der folgende Vorwindkurs bringt nicht viel Veränderung. Philipp segelt ihn schnell und verbessert auf Platz drei und einen Rückstand von nur mehr 6 m zum Neuseeländer und Norweger. Hanson liegt mit Rückstand von 20 m zwar auf der Zehn, aber nicht wirklich chancenlos. Er musste zuvor auch noch kringeln, nachdem er in zunehmend Aussichts-schwindender Lage gegenüber seinem Hauptrivalen Philipp offensichtlich auch grenzüberschreitende Vortriebsmethoden eingesetzt hatte. Kontides wieder im Griff um den Titel. So spannend ging es auch über die nun folgende zweite Halbzeit, die ungewöhnlicher Weise um etwa ein Drittel auf eine übliche Länge verkürzt wurde.
Der immer noch powergeladene Wind mit seinen eher zunehmenden Böen und Drehern verlangte äußerstes taktisches Geschick und viel Windgefühl. Philipp hat sich im zweiten Amwind-Kampf behauptet und rundet als Dritter. Hansen auf weiterhin zehnter Position aber immerhin nicht weiter vergrößertem Rückstand war offensichtlich am Anschlag. Er musste der Situation um seine zusehends an den Deutschen verloren gehende Bronzemedaille wohl immer klarer ins Auge sehen.
Auf dem letzten Downwind und abschließenden Ziel-Reacher stabilisierten sich die Positionen. Der Spannung wichen die Freuden hier und Enttäuschung dort. So, wie es in völlig normaler Art zum Leistungssport gehört.

Links:
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Liebe Leser,
Aus Aarhus (Dänemark) von den World Sailing Championships herzliche Grüße an alle meine Partner und Förderer, Fans und Gönner sowie meine Freunde und Bekannten und natürlich nicht zuletzt meinen Segelclub Alpsee Immenstadt (SCAI).